Im Gegensatz zu den Haloerscheinungen in der Bibel (Johannesoffenbarung, Visionen
von Daniel und Ezechiel) gibt es bei Hildegard den Vorteil, dass sie
Angaben zum Zeitpunkt der Erscheinung macht. Sie hatte die Vision zu Beginn des Jahres
des Jahres 1163. Wahrscheinlich hielt sie sich in ihrem Kloster auf dem Rupertsberg
bei Bingen auf. Allerdings hat sie in den Jahren 1161-1163 auch
Predigtreisen unternommen, so dass der Ort nicht mit Sicherheit bekannt ist.
Ort und Zeit sind bei Haloerscheinungen von großer Bedeutung, da die Form
der Halos von der Sonnenhöhe abhängig ist. Da Hildegard ihre Beobachtung
zu Jahresanfang gemacht hat, wird die Sonnenhöhe nicht mehr als 20° betragen
haben. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Jahre 1582
der Gregorianische Kalender eingeführt wurde. Auf den 4. Oktober 1582
folgte unmittelbar der 15. Oktober 1582. Dies hat zur Folge, dass heutzutage
der Sonnenhöchststand in Bingen z.B. am 1. März etwa 31° beträgt. Im Jahre
1163 betrug er am 1. März dagegen etwa 36°. Die Sonne konnte daher 1163
im Januar etwas höher steigen als heute.
Ein weiterer Aspekt ist, dass in der kalten Jahreszeit auch Eisnebel entstehen
kann. Eisnebel erzeugt die hellsten und auffälligsten Haloerscheinungen.
Außerdem kann man im Eisnebel auch Halos unterhalb des Horizontes sehen.