Phänomen vom 28.1.98


20.20 MEZ / SE; 50/2,8, 30sec, Fuji 800

20.25 MEZ / E; 50/2,8, f~60sec, Fuji 800

Diese seltsame Erscheinung wurde am 28.01.98 von Heino Bardenhagen in Helvesieck (53°13'N; 9°30'E) beobachtet.

Er schreibt dazu:
Am Abend des 28.01.1998 überprüfte ich gegen 20.15 MEZ den Himmel auf Astrotauglichkeit und Nordlichter. Dünner Cirrostratus und Altocumulus verhinderten allerdings Astrofotos, aber im Südosten stand ein Strahl variabler Helligkeit am Himmel. Zuerst dachte ich, daß ein Diskothekenbesitzer seine Sky-Beamer testete, doch als ich den Strahl fotografieren wollte, bemerkte ich, daß über dem gesamten Osthimmel scharf gebündelte Strahlen in unterschiedlichen Rhytmen von 30 bis ca. 120 Sekunden aufflammten und verblaßten. Der ganze Zauber dauerte schließlich bis 21.20 MEZ.


20.28 MEZ / E; 50/2,8, f~60sec, Fuji 800

20.30 MEZ / E; 50/2,8, f~30sec, Fuji 800

Berichte über diese Erscheinung in "Sterne und Weltraum" (4/98, S. 349) und "Mitteilungen des Arbeitskreises Meteore" sowie diverser Boulevardzeitungen und -zeitschriften brachten keine zufriedenstellende Erklärung.

Folgende Erklärungsversuche wurden gemacht:



20.45 MEZ / SE; 24/2,8, f~60sec, Fuji 800

20.50 MEZ / SE; 50/2,8, f~60sec, Fuji 800

21.00 MEZ / SE; 24/2,8, f~30sec, Fuji 800

21.10 MEZ / ENE; 24/2,8, f~30sec, Fuji 800

Alle Fotos © Heino Bardenhagen


Dazu eine Zuschrift von Till Credner vom Max-Planck-Institut fuer Aeronomie, Katlenburg-Lindau:

Folgendes fiel mir auf: Soweit der Horizont auf den Fotografien sichtbar ist, so sieht man unter den Säulen jeweils eine diffuse Horizontaufhellung oder teilweise sogar direkte Lichtquellen. Desweiteren ist zu erkennen, daß die Farben der Säulen deutlich mit den Farben am Horizont korreliert sind! Der Zusammenhang zwischen Säulen und Horizontlichtquellen ist also recht klar vorhanden. Für mich handelt es sich hier um das bekannte Säulenphänomen, das durch Reflektion an horizontal schwebenden Eisplättchen entsteht. Jedoch befinden sich hier diese Eiswolken in größerer Höhe und nicht in Bodennähe (kältere Luftschicht), was den Unterschied zu den „Laternensäulen" im Eisnebel ausmacht.


Lichtsäulen im Eisnebel

Stellt man sich vereinfacht eine etwas diffus spiegelnde Schicht in größerer konstanter Höhe vor, sieht man dort aufgrund von Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel Spiegelbilder von Lichtquellen der Umgebung. Und zwar erscheint das Spiegelbild um so höher am Himmel, je näher die Lichtquelle am Beobachter ist. In Wirklichkeit wird diese Eisplättchenwolke aber eine gewisse Dicke in der Höhenverteilung haben, wodurch die Spiegelbilder zu Säulen gezogen werden (je höher die Plättchen, desto höher auch das Spiegelbild!) Leichte Verkippungen der Plättchen führen zu weiteren Verschmierungen der Lichterscheinung. Befindet sich eine Lichtquelle ganz entfernt am Horizont (Extremfall untergehende Sonne) so ist praktisch kein direktes Spiegelbild mehr zu sehen, sondern nur noch die von dort ausgehende Säule. Da die Sonne nicht tiefer als der Horizont stehen kann und für uns praktisch unendlich weit entfernt ist, ist ein oberes direktes Spiegelbild der Sonne nie sichtbar. Jedoch ist das allgemeine Phänomen der „Untersonne" sehr bekannt. Hier sind die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Man sieht das längliche Spiegelbild der Sonne auf einer unter einem liegenden Eiswolkenschicht:


Untersonne

Durch die große Höhe kann man keine Säulen über nah gelegenen Lichtquellen sehen; das wäre dann überhaupt nur in Zenitnähe möglich, aber sicher recht lichtschwach und kaum zur Säule ausgebildet, sondern nur als Fleck sichtbar. Durch die Bewegung der unterschiedlich dichten Eiswolken ist die Helligkeit variabel, aber die Positionen im Azimut bleiben ortsfest.

Aber Ihre Beobachtungen scheinen doch recht einzigartig zu sein und sind nur durch eine außerordentlich starke horizontale Ausrichtung der Eisplättchen in größeren Höhen erklärbar. Die Erklärung ist ganz analog zur bekannten „Untersonne" und im Einklang mit dem Säulenphänomen, wenn man die größere Höhe der Eisschicht berücksichtigt. Einen Widerspruch kann ich bisher nicht entdecken.

Aber was jetzt sehr wichtig ist: Die Hoehe der Eiswolken läßt sich anhand der Aufnahmen messen! Und damit kann man die Theorie auch quantitativ untermauern! Vereinfacht gesagt aufgrund der Prinzipien:

Konkret heißt das:

  1. Vor Ort die jeweils zu den fotografierten Säulen gehörenden Lichtquellen identifizieren und deren Entfernung zum Beobachtungsort messen.
  2. Auf den Fotografien eine mittlere Höhe für jede Säule in Grad über dem Horizont messen.
  3. Mit einfacher Trigonometrie und "Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel" läßt sich aus Entfernung plus Höhe über dem Horizont die Höhe der Eiswolken absolut in Metern berechnen.
  4. Stimmen die ermittelten Eiswolkenhöhen für unterschiedliche Säulen näherungsweise überein, so ist diese Theorie quasi bewiesen, bzw. sehr gut untermauert.

Aus der Länge der Säulen kann man dann noch etwas über die Dicke der Wolkenschicht und die Kippwinkel ableiten, wobei diese beiden Effekte aber sicher nicht einfach auseinander zuhalten sind.

Die Messungen sollte wohl am besten der Fotograf machen, der den Platz kennen sollte. Die Aufnahmen von Heino Bardenhagen sind teilweise sehr gut und enthalten auch noch mehrere Säulen, so daß obiger Punkt vier möglich ist.

Für Rückfragen oder Diskussion steht Till Credner gern zur Verfügung.