Regenbögen im divergierenden Licht
von Christian Fenn, Hammelburg

Teil 2

Reverser Lampenregenbogen

Grafik eines reversen Lampenregenbogens
Abb 5: Die möglichen Regenbögen hinter der
Lichtquelle verlieren durch Überlagerung ihre Struktur
und bleiben unerkenntlich.

Nachdem ich diese Überlegungen angestellt hatte, entstand in mir die Frage, was wohl passieren würde, wenn man den Lichtstrahl rückwärts durch den Regenbogen schicken würde. Also, wenn man quasi Lichtquelle und Betrachterauge in ihrer Position tauscht.

Naiverweise hatte ich mir eingebildet, dass dort, wo der Lampenregenbogen bisher entstanden war (also kurz vor dem Auge) nun der “Reverse Regenbogen” kurz hinter der Lampe entstehen würde. Ich stellte mir also vor, dass im divergierenden Licht auch ein kleiner Regenbogen um die Lichtquelle entstehen dürfte. Da ich von diesem noch nie gehört hatte, ging ich motiviert daran, eine neue Entdeckung zu machen. Ich wurde nicht fündig.

Bei der späteren Konstruktion wurde mein Denkfehler sofort deutlich. Blickte ich nämlich nun auf den Teil des “Apfels” (Minnaert-Zigarre), der sich hinter der Lampe befindet, dann sah ich aus einer völlig anderen Perspektive auf dasselbe Segment des “Apfels”. Die Addition der möglichen Regenbögen in sämtlichen entstehenden Winkeln ergab nun ein Bild, das sich gegenseitig auflösen würde. Sprich: der Lampenregenbogen wäre nun bei 1°, 2°, 3° usw. entstanden und wäre bei deren gleichmäßiger Addition für mich nicht mehr sichtbar.

Der “reverse Lampenregenbogen” war somit zwar in der Theorie in jedem x-beliegen Punkt von 0 bis 138 (180-42) Grad vorhanden, aber genau aus diesem Grund auch nicht zu beobachten. Dies wäre nur gegangen, wenn man einen solchen Bogen in einem isolierten Winkel hätte alleine wahrnehmen können. Dies war nicht möglich, da es nie nur auf einer schmalen Schnittfläche regnen würde.

Ich verwarf den Gedanken an den “reversen Lampenregenbogen”.


Beobachtung von Christoph Gerber

Beobachtungsskizze
Abb 6: Erste Beobachtung von Christoph Gerber

Beobachtungskizze
Abb 7: Zweite Beobachtung von Christoph Gerber

Einen Monat später stieß ich auf einen Bericht über beobachtete Bögen an einer Straßenlampe von Christoph Gerber. Er schilderte zwei verschiedene Beobachtungen, die sich allerdings recht ähnlich waren.

Christoph Gerber beschreibt in seiner ersten Beobachtung einen Bogen, der sich im noch regennassen Gras bei Nacht hinter ihm und gleichzeitig mehr auf der Lampengegenseite zeigte. Der Bogen schien ihm zu folgen (siehe Abbildung 6).

In seiner zweiten Beobachtung beschreibt er einen Bogen, der sich um eine Lampe orientiert zu haben schien und der sich beim Annähern an die Lampe verkleinerte und beim Entfernen wieder vergrößerte (siehe Abbildung 7).

Beide Bögen folgen nicht den typischen Erscheinungen eines Regenbogens, da sie zum einen ihre Größe änderten, zum anderen auch in Blickrichtung der Lichtquelle zu sehen waren. Dass Christoph hierbei einen Regenbogen beobachtet haben könnte schien sich zunächst einmal auszuschließen.

Anders wird das allerdings, wenn man die Gesetzmäßigkeiten von Regenbögen im divergierenden Licht betrachtet. Ich hatte oben bereits festgehalten, dass Regenbögen im divergierenden Licht um den Lampengegenpunkt entstehen können und dass sie nur deshalb nicht in Blickrichtung der Lichtquelle entstehen können, weil die theoretisch möglichen “Reversen Lampenregenbögen” sich gegenseitig überlagern: sie also gewissermaßen nur isoliert möglich sein dürften. Die Isolation eines einzelnen Winkels in einem einzelnen Punkt kann in der Atmosphäre allerdings nicht beobachtet werden, da dazu nur an bestimmten Punkten Regentropfen fallen dürften.

Reverser Lampenregenbogen
Abb 8: Reverser Lampenregenbogen
Die Beobachtung von Christoph zeigt eine solche Isolation aber dennoch auf. Da es nämlich nicht regnete, konnten nur die auf dem Gras befindlichen Regentropfen einen Regenbogen erzeugen. Der Boden zog damit gewissermaßen einen Schnitt durch den “Apfel möglicher Regenbögen” und isolierte einzelne Winkel.

Je nachdem wie dieser Apfel geschnitten wird, können sich unendlich viele Ausformungen unterschiedlicher Bögen ergeben. Sie können hinter dem Betrachter, hinter der Lampe oder auch zwischen Lampe und Betrachter sein. Der Abstand des Betrachters zur Lampe und die Höhe von Betrachter und Lampe im Verhältnis zum Boden bestimmen dabei die Größe des Kreises. Bei ebener Schnittfläche können dabei bis zu vier Kreise pro Lichtquelle gleichzeitig entstehen.

Bezogen auf die Beobachtung von Christoph Gerber sollen die Abbildungen 9 und 10 grob verdeutlichen, wie die Schnitte durch den “Apfel” verliefen, um seine Beobachtungen zu ermöglichen.

Die Abbildung zeigt, wie der “Apfel” kleiner wird, je näher der Betrachter der Lampe kommt. Dadurch wird auch der durch den Schnitt entstehende Bogen kleiner - genau so, wie es Christoph Gerber in seiner zweiten Beobachtung beschrieben hat.

Treten ebene Schnitte durch die Minnaert-Zigarre auf, dann bilden sich immer saubere Kreise, da ein Schnitt durch einen Kreis auch immer wieder einen Kreis ergibt. Aus der verzerrten Sicht des Betrachters können sie trotzdem Ellipsenform annehmen. Andere Ausformungen werden erst durch die Unebenheit des Bodens möglich. Kreissegmente, wie in Gerbers Beobachtung werden dann möglich, wenn die Schnittfläche nur begrenzte Teile des Kreises abdecken kann, so wie das bei einer “zu kleinen” Grasfläche möglich ist.


unterschiedliche Bogenradien bei unterschiedlicher Entfernung zur Lichtquelle
Abb 9: Der sichtbare Bogen verkleinert sich mit der Nähe zur
Lichtquelle
Schema der zweiten Beobachtung
Abb 10: Darstllung der zweiten Beobachtung
von Christoph Gerber

Zusammenfassung

Im divergierenden Licht können sichtbare Regenbögen entstehen. Diese können nur in Lampengegenrichtung wahrgenommen werden. Wenn allerdings die Regentropfen nur auf einer Fläche vorkommen, wie beispielsweise auf dem mit Wasser benetzten Gras, dann entstehen Schnitte durch den “Apfel aller möglichen Regenbögen” und es können die theoretischen “reversen Regenbogen” (wir könnten sie auch reverse Taubogen nennen) beobachtet werden. Der einst etwas übermütig entstandene Gedanke des reversen Regenbogens konnte durch die Beobachtungen von Christoph Gerber bestätigt werden, gleichzeitig erklärt er Christophs Beobachtungen.